GefĂ€lltđ17
 von Mathias DöbbertÂ
Will man weit abseits der heimischen GewĂ€sser paddeln, stellt sich zunĂ€chst die Frage nach dem Transport von Mann und Maus, Paddler und Boot, Fahrzeug und AusrĂŒstung. Wir nĂ€herten uns Passau, dem Ausgangspunkt unserer Reise, aus unterschiedlichen Richtungen. WĂ€hrend Martin seinen Volkswagen in Wien geparkt hatte und nun per Zug nordwĂ€rts strebte, dirigierte ich meinen âBulliâ elegant nach SĂŒden. Am Kanu-Club-Passau reichten wir uns an einem sonnigen Samstagnachmittag die HĂ€nde.
Kurz vorher hatte ich noch zufĂ€llig dem Boss der Bosse des Gastvereins âTV Passau 1862 e.V.â unser Vorhaben umrissen. Dieser war davon so begeistert, dass ich sogar fĂŒr eine Spende in die Jugendkasse am Rande des ansonsten gesperrten VereinsgelĂ€ndes parken dufte â direkt unter dem Abschleppwarnzeichen. Einen Zettel mit âHerbert Hugger hatâs erlaubtâ, solle ich hinter der Fahrzeugscheibe platzieren, wischte er meine Bedenken beiseite. Trotzdem blieben leise Zweifel. Aber hei, nach einer Woche stand mein Auto noch da. Danke Herbert!
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Der erste Morgen verhieĂ pures GlĂŒck. Die Sonne hob zu einer steilen Bahn an, denn Mittsommer stand kurz bevor. Kein Wölkchen trĂŒbte eitel Sonnenschein. Temperaturen von jenseits 30 Grad waren vorhergesagt. Der Beginn der Reise zog sich jedoch bis in den spĂ€ten Vormittag hin, denn erst musste in aller GemĂŒtlichkeit gefrĂŒhstĂŒckt werden, das Zelt war abzubauen, das Boot zu beladen. Auch ein Bad vor dem Start war erforderlich und wurde fortan Bestandteil des Rituals. Wir verlieĂen auf der Ilz den Kanuclub und bogen nach wenigen hundert Metern in die Donau ein. Ein kurzer Blick zurĂŒck auf die Altstadt von Passau und dann lieĂen wir uns von der Strömung mitziehen.Â
Wenig spĂ€ter erwartet uns am DreifluĂeck das nĂ€chste Schauspiel. Der Inn fĂŒhrt aus dem Gebirge kalkhaltige Sedimente heran, welche die Donau hellgrĂŒn fĂ€rben. An der BerĂŒhrungslinie der Wassermassen prĂ€sentiert sich der FluĂ zweifarbig. Â
KlĂ€rchen macht Ernst und gibt alles. Schattenzonen am Ufer sind Mangelware und heiĂ begehrt. Nach zwei Stunden mĂŒhevollen Titschens hat uns von hinten unversehens ein Gewitter eingeholt. Wir schaffen es gerade noch, die Boote an Land zu ziehen und unter dem Dach einer Schenke Schutz zu suchen, als der Guss mit aller Macht einsetzt. Donner grollen, Blitze zucken und man ist gut beraten, jetzt nicht auf dem Wasser zu schwimmen. Wir nutzen die Gelegenheit zu einer krĂ€ftigen Tasse Kaffee, Torte und einem Plausch mit unseren radfahrenden Tischnachbarn aus Holland ĂŒber Urlaub, Beatrix und allerlei royalen Tratsch.
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Urplötzlich klart der Himmel auf, die Sonne scheint, als könne sie kein WĂ€sserchen trĂŒben und wir setzen unseren Weg fort. Die Donau ist in Ăsterreich, Ă€hnlich wie in Deutschland, ein durch zahlreiche Staustufen regulierter Fluss. Vor den Wehren, von denen wir tĂ€glich ein bis zwei ĂŒberwinden mussten, verlangsamt sich die Strömung gegen Null, wĂ€hrend sie dahinter mit 4 bis 6 kmh zu Buche schlĂ€gt.
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Zu den Staustufen hin verbreitert sich die Donau zu Seen und die Ufer sind mit DĂ€mmen aus Felsgestein gesichert. Hier ist ein Anlanden fĂŒr Kanuten fast unmöglich. Nur unterhalb der Wehre sind naturnahe, sandige Ausstiegsstellen zu finden. Die Schleusen dĂŒrfen von Sportbooten aus SicherheitsgrĂŒnden nicht benutzt werden. Es ist Umtragen angesagt. Erfreulicherweise sind die Umtragestellen deutlich ausgeschildert und ĂŒberall stehen spezielle Transportwagen zur Nutzung bereit. Auf sie lĂ€sst man die Faltboote aufschwimmen und zieht sie danach aus dem Wasser. Das Ent- und Beladen entfĂ€llt. Rutschig durch Algen und Schlick sind allerdings die betonierten Slip-Stellen. Da haben wir schon die eine oder andere Bruchlandung hingelegt.Â
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Gegen 18 Uhr zieht ein Regenschauer ĂŒber uns hinweg. Quasi als Trost erscheint mit der tiefstehenden Abendsonne ein schillernder Regenbogen. Wir bauen unser Lager auf einer Wiese zwischen zwei Umstiegstellen. Eilig werden die Zelte aufgestellt und im Halbdunkel köchelt das Abendbrot auf unseren Gaskochern. Im Schein der Zeltlampe werden noch ein paar Seiten im Taschenbuch geschmökert, bevor mir die Augen zufallen. Im Kopf brummen, röhren und grummeln noch die Motoren der zahlreichen LastkĂ€hne, Ausflugsdampfer und Motorboote, welche besonders an Sonntagen so zahlreich waren, dass sie uns fast im Minutentakt passierten, und mein Bett schwankt von ihren Wellen.Â
Die TagesablĂ€ufe nehmen mit der Zeit ein bestimmtes Muster an. Trotz frĂŒhen Erwachens erfolgt der Start zur nĂ€chsten Etappe erst zwei-drei Stunden spĂ€ter. Erst einmal ist die MorgenwĂ€sche dran. In Krems teile ich mir das Flussufer zur Morgentoilette mit einem Schwarm Stockenten. So scheu die Tiere tagsĂŒber auch sind, beim Putzen und Reinigen in der FrĂŒh ist man einer von ihnen. AnschlieĂend steht ein ausgiebiges FrĂŒhstĂŒck auf dem Programm. Es wird gekaut und erzĂ€hlt und erzĂ€hlt und gekaut. Den Kaffee genieĂt man in kleinen Schlucken. Es folgt der Abwasch und das Packen von Schafsack, Bettgestell, Kleidungssack- und Verpflegungsbox. Am Ende werden die Zelte zu handlichen BĂŒndeln gefaltet und verschnĂŒrt und die PackstĂŒcke auf und in den Booten verstaut.
An diesem Punkt merkt man in der Regel, dass man bei aller GenĂŒgsamkeit, noch einiges mehr hĂ€tte zu Hause lassen können. Martin nimmt vor dem Ablegen als Teil der Routine noch ein kurzes Bad. Endlich geht es weiter, wĂ€hrend die Sonne schon von hoch oben auf uns herabschaut.
Die Kulisse wechselt tĂ€glich. Wir durchschwimmen sattgrĂŒne BergtĂ€ler, die Stadtsilhouetten von Linz, Melk und Tulln, flache Feld- und Wiesenbereiche und mĂŒssen teilweise erahnen, wie es wohl hinter den DĂ€mmen (fĂŒr alle Akener)/Deichen (fĂŒr alle Norddeutschen) ausschaut. Auf den Bergkuppen prangen Schlösser, Burgen, Klöster und andere herrschaftliche Anwesen. Da es in Ăsterreich genug Berge gibt, wird schon mal einer davon zur Steingewinnung abgetragen.
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Die landschaftlich schönste Etappe der Reise ist freilich die durch Wachau. Faszinierende Weinberge, schicke Villen und Herrensitze auf den Kuppen, farbenfrohe und reich verzierte Anwesen entlang des Stromes prĂ€gen hier das Bild. Die oft parallel zur Donau verlaufenden StraĂen sorgen allerdings fĂŒr einen konstanten LĂ€rmpegel, wĂ€hrend von den Benutzern des Donauradweges fröhliches Geplapper und Geklingel zu vernehmen ist.
Ansonsten sind Enten und SchwĂ€ne unsere stĂ€ndigen Begleiter. NilgĂ€nse und Möwen kreuzten mitunter unseren Weg. Auch der Biber ist hier prĂ€sent. Seine gelegentlichen Burgen sprechen eine deutliche Sprache. Andere Wildtiere wie Rehe, Wildschweine oder FĂŒchse sind im Gegensatz zu unserem Elbrevier eher selten anzutreffen.
Es ist schon erstaunlich, was man mit einem Camping-Gaskocher alles hervorzaubern kann; zuallererst natĂŒrlich Morgenkaffee und Abendtee. AuĂerdem wird die KĂŒche angereichert mit TĂŒtensuppen chinesischer Art, gebratenem Reis und Nudeln mit und ohne Speck, diversen Doseneintöpfen. Druckfestes GemĂŒse wie Radieschen, Paprika, Kohlrabi und Karotten sorgen fĂŒr die nötigen Vitamine; Wurst, Schinken und KĂ€se fĂŒr die Energie. Brot, Butter und Marmelade sind natĂŒrlich auch von der Partie. Die Butter wird selbst bei 35 Grad Hitze nicht flĂŒssig, wenn sie auf dem Kayakboden platziert ist, wo die Donau selbst die KĂŒhlschrankfunktion ĂŒbernimmt.
Da ab und an der Wunsch nach etwas Herzhaftem bestand, gönnten wir uns zwischendurch auch mal ein Wiener Schnitzel oder ein Paar Berner WĂŒrstchen in einem Restaurant am Weg, den Dresscode einfach ignorierend. Es hat also eine Faltbootwanderfahrt so gar nichts gemein mit einer asketischen Fastenzeit.
Besonders reizvoll hatte ich mir den Einzug nach Wien vorgestellt. Die Metropole des pompösen K-u-K-Reiches zeigt sich von der Wasserseite jedoch wenig spektakulĂ€r. Der Fernsehturm fĂ€llt schon von weitem ins Auge. Auf der einen Seite ragt der Millennium Tower in den Himmel, auf der Gegenseite der DC (Donau City) Tower, das derzeit höchste GebĂ€ude der Stadt, ein unsymmetrisches, aber glĂ€nzendes Hochhaus aus Stahl und Glas. Zwischen Reichs- und PraterbrĂŒcke reihen sich kilometerlang in mehreren Reihen FluĂkreuzfahrtschiffe am Kai. Mit einem Blick ĂŒber die Schulter entdeckt man noch eine hĂŒbsche, kleine Kirche durch die Flucht der Nobelliner, bevor der massive Hilton-Hotelkomplex das Ende des Stadtgebietes markiert.
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Am Stadthafen endet unsere Tour und unter sengender Hitze verladen wir die zerlegten Faltboote und Berge von PacksĂ€cken, Tonnen und Taschen in Martins GroĂraum-VW Golf. Erst in Passau, wo ich auf meinen Transporter umsattele, trennen sich unsere Wege, jeder von uns mit EindrĂŒcken und Erinnerungen von dieser erholsamen wie abwechslungsreichen Fahrt beladen.
Mathias (Samstag, 20 August 2022 23:07)
Ich freue mich, dass der Bericht so gut angekommen ist und ob des vielen Honigs auch. Gleichzeitig dĂŒrfen wir gespannt sein auf einen zweiten Teil, erzĂ€hlt und bebildert von Martin. Aus verstĂ€ndlichen GrĂŒnden konnten von den vielen Fotos, die zwangslĂ€ufig auf so einer Reise entstehen, nur einige wenige auf der Webseite platziert werden. FĂŒr interessierte Mitglieder bieten wir daher an, die Donaufahrt im Winter in Form eines Bildervortags im Bootshaus nochmals aufleben zu lassen. Wenn es uns (Martin und mir) gelingt, Interesse fĂŒr mehrtĂ€gige Wanderfahrten zu wecken oder auch nur einen trĂŒben Novembertag mit Sommerbildern zu erhellen, haben alle gewonnen.
Fred Schröder - Kanuclub Fan und Gastleser (Dienstag, 16 August 2022 11:16)
Von Mathias Döbbert bin ich solch wunderbar geschilderte Reiseberichte gewöhnt. Aber die Wanderfahrt auf der Donau ist ein spitzen Reisebericht mit schönen Fotos. Wien von der Wasserseite hĂ€tte ich gern miterlebt, denn ich kenne nur die Stadt mit ihren SehenswĂŒrdigkeiten.
Karl-Heinz und Birgit (Freitag, 12 August 2022 09:50)
Wie immer, einfach fantastisch erzÀhlt. Wir waren im Geiste dabei und haben gemeinsam mit Euch die geschilderten Erlebnisse genossen. Wir freuen uns schon auf Eure nÀchste Tour!