von Martin Schurz
Durch meine Erlebnisse und Erfahrungen als Slalom und Wanderkanute sowie als Steuermann und Trainee auf Segelschonern auf Ostsee und Mittelmeer, ebenso schon mehrmals Einhandsegeltörns auf Müritz und Ijsselmeer, erlaube ich mir hiermit, einige allgemeine Hinweise zum Fahren dieses Sport- und Freizeitbootes zu geben. Auch möchte ich hiermit mal versuchen, den Betrieb des C9 sicherer durchzuführen.
Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, die Zufriedenheit zu erhöhen und den C9 auch in Zukunft für den Nachwuchs interessant zu machen. Durch meine jahrelange Tätigkeit in der Forschung und Entwicklung sowie in den Prüforganen des Technischen Überwachungsvereins kann ich gar nicht anders.
1. Bootsführung
- Momentan: Durch eingewiesene und erfahrene Bootsführer (Steuermann/Frau) und die ganze Besatzung.
Das geht so nicht. Das Boot muss vor allem auf Gewässern mit Schifffahrt und Motorbootverkehr jederzeit der jeweiligen Situation entsprechend steuerbar und sicher beherrschbar sein, ohne Abstriche. Das beginnt damit, dass der Steuermann eigentlich nur das Boot auf Kurs hält und nicht mitpaddelt. Mitpaddeln geht nur einige Schläge lang, solange das Boot auf Kurs ist. Fällt es nach Steuer- oder Backbord mit dem Bug ab, ist das Mitpaddeln des Steuermannes sofort einzustellen und die Kursabweichung zu korrigieren. Das Kommando hat nur der Steuermann.
2. Bootsstabilität
- Momentan: Das Boot wurde als Renncanadier für die Mannschaft in kniender Position konstruiert.
Die momentane Sitzposition, fast in Höhe des Süllrandes, ergibt eine erhebliche Erhöhung des Schwerpunktes und der Neigung des Bootes zum Krängen. Das trat beim Überholen eines Motorbootes anläßlich des LKV Anpaddelns selbst mit nicht allzu hoher Geschwindigkeit deutlich zu Tage, zumal uns die Welle voll von der Seite traf. Die daraus folgende Panik von Teilen der Mannschaft war sicher nicht unbegründet, wenn man die Wassertemperatur von <10°C berücksichtigt.
Mein Vorschlag wäre deshalb:
Durchführen von Testfahrten im Sommer im Buhnenbereich, um die maximal mögliche Krängung zu simulieren und um herauszufinden, ob es möglich ist, das Boot zum Kentern zu bringen. Ist es leicht möglich, eine Kenterung zu erreichen oder gehört dazu schon ein gewisser höherer Aufwand? Ich ziehe immer gerne eine Fahrzeugdachlandung im Überschlagsimulator beim TÜV oder ein Fahrsicherheitstraining bei glatten Fahrbahnen als Vergleich heran. Diese Erfahrungen bringen immer etwas mehr Souveränität beim Führen von Fahrzeugen, ohne sich selbst zu überschätzen. Es gilt die Devise: Versuch macht klug. Eine Verbesserung des unerwünschten starken Krängungsverhaltens könnte man sicher auch durch eine Tieferlegung der Sitzhöhe erreichen.
3. Mannschaft
- Besatzung
-> Die gleiche gewichtsmäßige Verteilung der Besatzung dient ebenfalls der Stabilität des Bootes. Dazu empfielt es sich, vor der Fahrt die Körpergewichtsangaben der Crew zu ermitteln und eine Platzverteilung von Paddler 1-9 festzulegen.
-> Die Anordnungen zum sauberen Kurshalten und Manövrieren werden ausschließlich vom Steuermann (Bootsführer) gegeben, wobei natürlich der Schlagmann assistiert. Bei Bedarf werden die gegebenen Anordnungen mindestens von jedem zweiten Paddler vom Heck zum Bug wiederholt und somit unverzüglich nach vorn gegeben. Die nötigen Anordnungen des Steuermanns bei Manövern z.B. Richtungsänderungen des Bootes lauten:
Drehen des Boot nach Steuerbord (rechts rum) - Paddler 1, 2 und 4 Steuerbord ziehen; gleichzeitig Paddler 5, 7 und 9 auf der Backbordseite ziehen.
Drehen des Bootes nach Backbord (links) - Paddler 1, 3 Backbord ziehen. Gleichzeitig die Paddler 6, 8 und 9 Steuerbord (rechts) ziehen
Theoretisch müsste das Boot damit wie auf einem Teller zu drehen sein.
-> Aus Sportmedizinischer Sicht ist es bei Ausdauersportarten selbstverständlich nötig, ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu gewährleisten. Kurze Trink und Erholungspausen sollten eingelegt werden: Paddler 1, 2, 3, 4 - Pause; 5, 6, 7, 8 - langsam weiterpaddeln; danach umgedreht.
-> Nach 2 Stunden Fahrt tauschen die Backbord Paddler ihre Plätze mit Steuerbord Paddlern, um einseitige Dauerbelastungen zu vermeiden. Eventuell sollte auch die Position des Steuermannes durch andere Paddler ausgetauscht werden. Wer es am besten versteht, das Boot zu führen, sollte es natürlich auch übernehmen.
Bemerkungen:
Die oben beschriebenen, unbedingt einzuhaltenden Abläufe sind natürlich erst einmal theoretisch, konstruiert am Schreibtisch.
-> Sie könnten aber bei einem Mittwochstreff diskutiert und sinnvollerweise auch mal praktisch auf dem Wasser getestet werden.
-> Natürlich gehören auch Manöver wie das An- und Ablegen an Stegen sowie an Sandufern zu den Übungen.
-> Das sichere Ein- und Aussteigen vor, zwischen und nach der Fahrt sollten geübt werden.
-> Wichtig wäre außerdem die Überlegung: "Was ist zu tun bei einer (doch nie ganz auszuschließenden) Kenterung oder in der Situation "MOB" (Mann über Bord)."
Ich möchte mit diesen Anregungen für erforderliche Änderungen zur sicheren Betriebsweise des Bootes beitragen. Als Enkel von Generationen von Schiffern und Wassersportlern müssen wir mit dem Boot „Stadt Aken“ unsere Souveränität auf dem Wasser wiedererlangen. Ebenfalls muss die Tradition des Mannschaftsboot-Fahrens an die folgende Generation sowie auch an unsere Enkel weitergegeben werden. Nach dem Motto: "Die Alten geben ihre Erfahrungen in Theorie und Praxis an die Jungen bei gemischten Besatzungen weiter und haben dann auch das Vertrauen, sie alleine fahren zu lassen". Alle müssen dafür "brennen", mit diesem Boot zu fahren.
Für Ergänzungen oder Hinweisen für Änderungen ist der Autor selbstverständlich immer offen.
In diesem Sinne wünsche ich euch immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel und eine gute Heimkehr.
Euer Aushilfspaddler und vielleicht auch doch noch mal Clubkamerad
Martin Schurz aus Weimar
Mathias Döbbert (Mittwoch, 29 Mai 2019 21:27)
Martin hat die Schwachstellen klar benannt und die richtigen Vorschläge unterbreitet. Dies deckt sich teilweise mit den Anregungen, die bereits auf der JHV gegeben wurden. El Capitano hatte sich schon bereit erklärt, im Sommer ein Steuermann-Training durchzuführen.
Eine Kenterübung (bei angenehmen Wassertemperaturen) sollte ebenso wie das Drehen des "Riesen" auf der Stelle bereits im Vorfeld der großen Sommerfahrt zum Programm gehören. Das Austarieren des C9 nach Gewicht erscheint dabei noch die leichteste Aufgabe, welch aber konsequent umgesetzt werden sollte. Dann können wir eine ungestreßte Wanderfahrt und eine zufriedene Rückkehr der Crew erwarten.
Karl-Heinz Schulze (Dienstag, 28 Mai 2019 12:02)
Gute Vorschläge
Aber wie sollen diese in der Tat umgesetzt werden , wer traut sich das zu ? Haben wir in eigenen Reihen einen geeigneten Sportsfreund ? Anfang bei der Seniorenfahrt jeden Tag ein paar Manöver!
Gruß Karl-Heinz