Auf die Gurken, fertig, los!

von Mathias Döbbert

26.04.2019: Unfreundlich klingende Wettervorhersagen konnten uns nicht abhalten. Schließlich war die Aktion von langer Hand geplant und die Vorfreude auf ein Abenteuer groß. Dennoch beäugten wir, Reiner, Rudi und ich die Wolkendecke argwöhnisch. Auf der Fahrt von Aken nach Burg (Spreewald) umschifften wir so manchen Blitzer und erreichten gegen Abend das Kneipp- und Erlebniscamp.

Ein Gurkenfaß als originelle Übernachtungsmöglichkeit wartete bereits auf uns, während Reiner sein fahrbares Bett nur an den rechten Platz rollen mußte. In der Nacht entlud sich ein Wolkenbruch über dem Spreewald und die drei Optimisten unter uns hofften, dass damit die 1%-ige Regenwahrscheinlichkeit für diesen Samstag abgegolten sei. Mutig entfernten wir die Spritzdecken von Majak und Motte und begaben uns zum Startpunkt unserer Marathontour über 42 km. Mit etwas Verpflegung und Stempelkarte sowie einem Gewässerplan stürzten wir uns in das Spreewaldlabyrinth.

 

Die Stimmung war goldig und die bunte Schaar der Kanuten richtig aufgekratzt. Man begrüßte sich von Boot zu Boot mit fröhlichem Hallo und harmlosen Scherzen. Zügig kamen wir auf dem Südumfluter voran und erreichten gegen Mittag den ersten Kontrollpunkt am Spreewaldhof. Die aktuelle Mission lautete: Stempel kassieren und Essen fassen. Die ausgegebenen Essenwertmarken konnten den Schock über die gastronomischen Mittagspreise nur lindern. Von daheim noch mit reichlich Vorräten beladen, mundete uns doch ein solides Bockwürstchen mit Brötchen. Gestärkt machten wir uns wieder auf den weiten Weg.

Hinter der nächten Biegung wartete bereits die nächste Schleuse: Also Aussteigen, Schleusenkammer fluten und -tore öffnen und schließen. Manchmal übernahmen das freiwillige Helfer gegen eine Schleusungsgebühr, einem Wegezoll nicht unähnlich. Bootsrollen meisterten wir und Umtragen an defekten Schleusen. Nach und nach artete der Marathon in einen Hürdenlauf aus. Ob den Läufern wohl ähnliche Hindernisse in den Weg gestellt worden waren? 

 

Es entschädigte eine beeindruckende Naturkulisse und eine Ruhe, wie man sie vom Spreewald erwartete. Die Wassersportler verstreuten sich in der weitläufigen Wasserwelt des Spreedeltas. Wir wechselten von einem Fließ ins nächste. Stockenten und Bachstelzen kreuzten unaufgeregt unseren Weg. Bieber gingen ohne Hast und unbeeindruckt ihren Geschäften nach. Von scheuer Tierwelt wie bei uns an der Elbe  hat man hier im Spreewald noch nichts gehört. 22 Kilometer nach dem Start und deutlich geschwächt vom Gleiten auf fast strömungslosen Gewässern erreichten wir unser Tagesziel, das Gasthaus Wotschofska. Ein letzter Stempel für heute und ein Kaffee zum Aufmuntern mobilisierten die Kräfte, welche nötig waren für die vier Kilometer Rückfahrt nach Lübbenau. Beim örtlichen Kanuclub deponierten wir die Boote und genossen im Lübbenauer Schlosshof ein zünftiges, kühles Radler. Mit dem Auto gelangten wir wieder ins Quartier und rüsteten uns für einen Spaziergang zum Rock-Konzert nach Burg. 

Das Spektakel drehte sich hauptsächlich um den sportlichen Abendlauf, einem 4,5 km-Parkour. Laufen, Walken, Skaten, Wandern. Jede Art der Fortbewegung war willkommen. Der Zieleinlauf der Aktiven wurde umrahmt von einem wunderschönen Feuerwerk - ein würdiger Abschluss für einen aufregenden ersten Tag.


 

28.04.2019: Ein neuer Morgen versprach neue Paddelfreuden im Naturparadies. Doch erst einmal musste ein solides Frühstück im Gasthaus die Grundlage für Teil 2 des Marathons liefern. In Lübbenau bestiegen wir unsere Kajaks und tauchten ein in den Hochwald. Lange, gerade und fast menschenleere Fließe ließen die Ausdehnung des Biosphärenreservats erahnen. Die Sonne brach sich durch die hohen Bäume. Riesige, knorrige Wurzeln verankerten Erlen und Weiden am Ufer. Das Licht drang seitlich durchs Geäst und ließ die zartgrünen Blätter leuchten. Wie durch verzauberte Mangrovensümpfe schoben sich unsere Schiffchen durch die Landschaft. Am Nordrand des Neuzaucher Spreewaldes erzeugten Felder abgestorbener und gebrochener Stämme einen beklemmenden Eindruck.

Nach einer kurvenreichen Strecke wandten wir uns erneut nach Süden. Schon bald erreichten wir neue Schleusen und weitere Hindernisse. Die Handschleusungen boten Gelegenheit, den Rücken einmal durchzudrücken und sich die Beine zu vertreten. Ab Kilometer 30 nahm die Zahl der Wegweiser dramatisch ab und es galt, sich mit Orientierungssinn und Karte im Wirrwarr der Fließe zurecht zu finden. Bei Burg-Kauper hatten wir uns endgültig verirrt. Am Ufer suchten wir Rat und Hilfe. Ein freundlicher Eingeborener erklärte uns, wo wir sind und wohin wir müssen. Wieder auf den rechten Weg gebracht ging die Schlängelreise weiter. Die Kanäle wurden zeitweise sehr eng, dass Gegenverkehr die Tour zum Erliegen gebracht hätte. Erst zurück auf der Hauptspree konnte man wieder durchatmen.

Einige junge Bisamratten tummelten sich im Schein der Nachmittagssonne unbesorgt am Ufer in Gesellschaft schreckloser Enten. Immer wieder während unserer Fahrt trafen wir auf ein Paar Berliner Schnatterinchen im grünen Kajak-Zweier. Die Freude war stets groß, denn wir hatten das gleiche Ziel - die goldene Gurke! Bei Kilometer 40 überwanden wir die letzte von insgesamt 18 Schleusen und bogen auf den Südumfluter, die Zielgrade, ein.

 


*Foto Marko Helmer* 

Am Ziel angekommen nahmen wir stolz Urkunde und Trophäe in Empfang. Erschöpft, aber zufrieden und mit reichlich schönen Eindrücken beladen, schlossen wir das Ereignis "Spreewaldmarathon" ab. 


Geübte Handgriffe beim Abbau und Verladen von Booten und Gepäck waren nun gefragt und nur kurze Zeit später trennten sich in Lübbenau unsere Wege. Ein sportliches Wochenende nahm in Aken am Bootshaus sein Ende. Ob wir nächstes Jahr zur Gurkenernte wiederkommen? Vielleicht, wer weiß?!

*Fotos by Reiner Liebmann, Günther Rudorrf, Mathias Döbbert*


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