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von Mathias Döbbert
Tag 7: Elster-Coswig
Der Start in die nächste Etappe beginnt feucht und wenig fröhlich. Schneller als das Anlegen der Vollgasschutzausrüstung sind die Regensachen herausgekramt und übergezogen. In Regenschutzvollausstattung legt die Mannschaft vom Kiesufer des Kanuclubs Elster „Harmonie“ ab.
Die Einer starten wenig später. Regentropfen schlagen Basen auf der Wasseroberfläche. Eigentlich ein untrügliches Zeichen für Dauerlandregen. Die Zeichen jedoch sind trügerisch. Nach zehn Minuten magern die Tropfen zu Nieselregen ab und einige Kilometer später können wir uns wieder von Regenjacke und Fischerhut befreien. Der Himmel klart zögerlich auf, doch schon bei Sonnenschein nehmen uns die Canadier-Neuner bei Wittenberg in Empfang. Es erfolgt ein fliegender Wechsel. Der große Boot geht, die Kleinen kommen. Wir suchen ein nahes Cafe für einen Cappuccino, finden aber heute, am Sonntag, nur verschlossene Türen vor. Das improvisierte Biwak am Steg der Wittenberger Ruderer währt nicht lang. Unter der Eisenbahnbrücke werden wir von einem ICE überholt. Luther, ganz in Rot ('s wird doch wohl kein Linker gewesen sein), preist vor dem Hintergrund von Schloss- und Stadtkirche die Bibel an. Dabei hat er die Elbe fest im Blick. Kurz darauf treffen wir auf unseren Bekannten aus Elster: Gregori, den Welsfischangler. Und schon wieder hat er einen Fisch am Haken. Wir dürfen dem Schauspiel der Anlandung des Ungetüms beiwohnen: Ein kapitales Tier von 1,76 m Länge. Stolz präsentiert Gregori aus Karaganda seinen Fang. Wir fotografieren ihn in Siegerpose und fahren weiter. Der Sonntag hat sich mittlerweile zu einem schwül-warmen Sommertag gemausert. Über den Gipfeln der Bäume erscheinen die Industrie-Umrisse von Piesteritz. Ein Reh beobachtet von der Böschung aus vorsichtig die bunten Ankömmlinge in ihren Booten. Am Kilometer 225 stoßen wir wieder auf unsere Vereinskameraden, die sich erneut im Aufbruch befinden. Es ist Mittagszeit. Wir biegen in die nächste Buhne und verspeisen unsere Lunchpakete: Brötchen mit Wurst nebst einem tiefen Schluck aus der Thermoskanne. Die Sonne meint es mehr als gut mit uns, doch wir wollen uns nicht beklagen. Heute weht keinerlei Wind und die Elbe hält uns den Spiegel vor. Coswig ist erreicht und es trennen sich für heute unsere Wege. Uwe schwenkt ein zum Kanuclub Coswig/Anhalt; ich halte auf die Fähre zu. Buntes Gewimmel im Wasser lässt mich interessiert aufsehen. Eine Badegesellschaft, kostümiert im Stiel der zwanziger Jahre, seinerzeit sicher der letzte Schrei der Bademoden, durchschwimmt die Elbe. Von den Damen sind freilich nur die weißen Häubchen zu sehen. In der Marina erwartet mich das Empfangskomitee. Das Beiboot wird ordnungsgemäß neben seinem großen Bruder vertäut. Die Unterkunft ist schnell gefunden, der Schweiß weggeduscht und die Kleidung gewechselt. Ein Erkundungsspaziergang durch die Altstadt schließt sich an. Die 95 Themen zu Coswig, angeschlagen an den Schautafeln der Stadt, vermitteln Interessantes und Wissenswertes über diese Elbestadt. Die Idee ist nachahmenswert. Am linken Elbufer, wohin man nur mit der Fähre gelangen kann, erwarten Reiner und mich Kaffee und Kuchen auf den Elbterrassen gleichnamigen Restaurants. Wir lassen die Abendsonne sinken und genießen die Aussicht. Mit der Fähre setzen wir erneut über und begeben uns auf den Heimweg, nicht ohne zuvor dem Bootshaus der Kanuten von Coswig einen Besuch abgestattet zu haben. Derweil ist die Stammmannschaft vom Abendessen zurück im Innenhof der Pension. Mit dem Wirt wird gefachsimpelt, gemeinsame Bekannte werden aufgetan. Eine Vorführung der Sport-Awo-Motorrad-Kollektion setzt die Kenner in Erstaunen und Bewunderung. Als die Nacht herein bricht, ziehen sich alle zum Schönheitsschlaf zurück in ihre Betten. Ein einzelnes Licht brennt noch im Haus. Ich tippe mühselig Sätze in mein Handy. Es sind Töne, wie vom Klappern einer Schreibmaschine zu hören.
*Fotos by Mathias Döbbert*
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