von Mathias Döbbert.
Es scheint, als wär der Biber hier
ganz einfach nur ein Säugetier.
Jedoch gehört er in das Lager
der unermüdlich nagend Nager.
*Foto by Reinhard Liebmann*
Sein wissenschaftlicher Name lautet Fiber, Castor fiber, der europäische Biber.
Sein Vetter lebt in Canada und hört auf den Namen Castor canadensis.
Uns Castor "fiber" ist sehr gut bestückt.
Der Chromosomen 48 sind ihm eigen.
Und "canadensis" schmollend muß
mit ganzen 40 sich bescheiden.
©Mathias Döbbert
Ein Eurobiber (ausgewachsen) erreicht eine Kopf-Rumpflänge von 80-102 cm. Dazu kommt eine Kellenlänge (nicht "Schwanzlänge", um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen) von 30-35 cm. Er wiegt im Schnitt 18-20 kg. Übergewichtige Exemplare schaffen sogar 32 kg. Die Lebenserwartung liegt bei 12-17 Jahren, im Zoo bei 25.
Sein nordamerikanischer Artgenosse wird 90-120 cm lang und bringt satte 17-32 kg auf die Waage und im Ausnahmefall immerhin 45 kg. Amerikanern wird ja ohnehin eine Tendenz zur Körperfülle nachgesagt. Ein kanadischer Biber lebt durchschnittlich nur 10-12 Jahre und in Gefangenschaft immerhin noch 19, was wiederum die These untermauert, dass Übergewicht die Lebensjahre verkürzt.
Unter den Nagern ist nur das südamerikanische Wasserschwein noch größer als der Biber und diverse weitere Vertreter dieser Gattung wie Bisam- und Wanderratten sorgen auch nicht gerade für ein Kuscheltier-Image. Die Verwandtschaft kann man sich halt nicht aussuchen.
Mit spindelförmigem Körper der Bisamratte sehr ähnlich, unterscheidet sich der Biber äußerlich von dieser aber durch seinen abgeplatteten flachen und unbehaarten, breiten Schwanz, die Kelle.
Wie der Biber zu seinem Plattschwanz kam (ein Erklärungsversuch von Ingo Baumgartner):
Den dicken Stamm dort, sagt der Biber,
Den hätt ich massemäßig lieber.
Er setzt den harten Nagezahn
so schätzungsweise kniehoch an.
Es fliegt der Span, der Baum zeigt Wunden,
Er fällt nach zwei, drei Kerbschnitzrunden
und zwar dem Biber auf den Schwanz,
gelenkt von höherer Instanz.
Man kennt die Kelle her von Bildern,
wohl müßig, dies genau zu schildern.
Doch wie es zu dem Plattschwanz kam,
erläutert dieses Melodram.
Die Kelle ist multifunktional. Sie dient beim Tauchen als Steuer und Motor, ansonsten zur Thermoregulation und als Fettpolster.
Das Fell ist dicht mit 23.000 Haaren pro Quadratzentimeter! Der Mensch muß mit nur 600 auskommen und viele Zeitgenossen und -genossinnen mit noch viel weniger. Das dichte Fell schützt ihn hervorragend vor Nässe und Kälte und hätte ihm fast den Untergang beschert, wie wir später noch erfahren werden.
Entsprechend intensiv betreibt der Biber die Fellpflege. Er besitzt dafür sogar eine eigens zu diesem Zweck geformte Kralle und ein fetthaltiges Drüsensekret, das Bibergeil (Castoreum). Es dient dem Biber gleichfalls als Duftstoff zur Markierung seines Reviers. In der Vergangenheit als Wundermittel der Volksmedizin mißbraucht, kann man Bibergeil heutzutage noch in Steckby in gleichnamiger Gaststätte als Likör zur Verdauungsförderung einnehmen.
Die vergrößerten vorderen vier Schneidezähne bestehen aus dem üblichen Zahnschmelz, enthalten aber zusätzlich Eisenverbindungen, was einerseits die rötlich-orange Färbung erklärt und andererseits für eine besondere Härte sorgt. Da nur die Vorderseite gehärtet ist, entsteht beim Nagen von Holz ein Selbstschärfeeffekt, ein Trick der Natur, den sich Hersteller von modernen Garten-Schreddern beim Biber abgeschaut haben. Die Schneidezähne wachsen unaufhörlich, weshalb der Biber zu lebzeitigem Nagen verdammt ist.
Weibliche Tiere sind von männlichen kaum zu unterscheiden. Das trifft allerdings auf Hosen tragende Frauen auch zu.
Schwimmen können Biber instinktiv bereits vier bis sechs Wochen nach der Geburt. Tauchen müssen sie allerdings lernen. Haben sie das einmal drauf, können Biber bis zu 20 min unter Wasser bleiben und verschließen dabei Ohren und Nase.
Während die Hinterfüße mit Schwimmhäuten vornehmlich der Fortbewegung an Land und im Wasser dienen, besitzen die Vorderfüße fünf Greiffinger.
Biber sind Veganer! Trotzdem ist ihr Speisezettel sehr abwechslungsreich. Er umfasst 150 Pflanzenarten und 63 Gehölzarten, vornehmlich Weichhölzer wie Pappeln, Birken, Weiden, Erlen, Ulmen.
In der Regel werden Bäume bis 8 cm Durchmesser gefällt und entästet. Ein Biber kann aber auch Stämme von 40-50 cm relativ schnell umlegen. Die meist sanduhrenförmigen Nagespuren setzen auf 50 cm Höhe an. Äste und Zweige werden in die Baue verbracht als Futtervorrat oder Baumaterial.
Der Biber lebt monogam in lebenslanger Ehe - ein Idealmodell der katholischen Kirche - und in der Regel in Familienverbänden. Die Jungtiere, die nach 2-3 Jahren ihre Elternbaue verlassen, siedeln in unmittelbarer Nähe der Eltern und wandern nicht aus nach Mallorca, Amerika oder gar nach Australien. Erst wenn nicht mehr ausreichend "Bauland" zur Verfügung steht, werden neue Siedlungsräume erschlossen.
Der Biber ist sehr fleißig und uns damit überaus sympathisch. Respektvoll wird er "Wasserbaumeister" genannt. Alfred Brehm bemerkt dazu in seiner Enzyklopädie "Tierleben" schon 1865: "Wie bei den meisten Tieren ist das Weibchen der eigentliche Baumeister, das Männchen mehr Zuträger und Handlanger."
Winterschlaf oder Frühjahrsmüdigkeit kennt er nicht. Er baut Röhrensysteme und Wohnkessel in Uferböschungen, wobei die Eingänge stets unter Wasser angelegt sind. Holzspäne dienen als Polster für die Wohnhöhlen. Hat z.B. die Elbe sehr niedrige Wasserstände, kann man die Eingänge auch schon mal über der Wasseroberfläche entdecken. Kommt man zur rechten Zeit an diesen vorbei, ist auch Blickkontakt mit Herrn und Frau Biber nicht ausgeschlossen.
Soweit möglich, werden die Wasserstände von Fließgewässern aktiv durch Dammbauten reguliert, damit die Baueingänge unter Wasser bleiben. Ist in der Nähe der Behausungen alles abgeholzt, gräbt der Biber bis zu 500 m lange Kanäle, um das Futter oder Baumaterial auf dem Wasserweg herbei zu flößen.
Sobald die Böden und Decken der Behausungen durch Aus- und Umbau zu dünn werden, wird aufgeschichtet. Schlamm, Steine, Äste. Das Eigenheim wird zur Burg ausgebaut, nicht zum Schloss. Die Biberburgen, die über Generationen bewohnt werden, erreichen Durchmesser von 12 Metern und Höhen von bis zu 2 Metern.
Also leistet sich der Nager ein Eigenheim mit einer Grundfläche von 113 qm. Setzt man nun das Gewicht des Biberpatriarchen von ca. 20 kg ins Verhältnis zu dem eines erwachsenen Mannes von ca. 80 kg, entspräche die Wohnfläche einer Biberfamilie etwa dem eines 450 qm Eigenheims. Da darf man wohl getrost von Burgen sprechen.
DER BIBER UND DER ESEL
Der Esel sprach zum Biber
"Warum so mühsam sich ein Haus bau'n, Lieber?"
Der Biber sprach: "Weil ich stets gerne tat,
Was nicht der Esel Beifall hat.
©Ignaz Friedrich Castelli
Die Fähigkeiten des Bibers konnten Naturforscher von je her beeindrucken und so schreibt Alfred Brehms in seinem bereits erwähnten Werk: "Über den Grad des Verstandes des Bibers kann man verschiedener Meinung sein; so viel wird man zugestehen und anerkennen müssen, dass er innerhalb seiner Ordnung die höchste Stelle einnimmt."
Den europäischen Biber, früher weit verbreitet bis nach Asien, kostete sein wertvolles Fell, ein Statussymbol für Begüterte, und sein Fleisch fast die Existenz. Von findigen Mönchen kurzerhand als Fisch eingestuft, schmeckte er ihnen hervorragend zur Fastenzeit. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war der Biber in weiten Teilen ausgerottet.
Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. muss schon zu seiner Zeit ein "Grüner" und Biberfreund gewesen sein, denn er verfasste bereits 1714 einen Erlass zum Schutz der Tiere. Leider hat das nicht viel genützt, denn Mitte des 20 Jahrhunderts gab es natürliche Restbestände nur noch in Belarus, in Norwegen, an der französischen Rhòne und in unserem Gebiet, der mittleren Elbe.
Kanadische Biber hatten ein bisschen mehr Glück. Ihre Population wurde nicht zerstört und sie besiedeln weiterhin große Teile Nordamerikas, aber vermutlich nur, weil die Bevölkerungsdichte in Übersee deutlich geringer ist als in Europa.
Dem hier natürlich beheimateten Elbebiber, Castor Fiber albicus (eine Unterart des europäischen Bibers) hätte sicher die Elbverschmutzung durch Buna, Leuna, Bitterfeld, Wolfen und Co. am Ende den Rest gegeben, hätte nicht die Wende eine Wende in Sachen Umweltschutz eingeleitet. Doch nicht nur der Mensch wollte dem Biber ans Fell und Fleisch. Vor allem Jungtiere werden gelegentlich Beute von Hunden, Seeadlern, Hecht und Wels. Heute zählen Forscher wieder ca. 6.000 Tiere, dank umfangreicher Renaturierungsmaßnahmen und eines konsequenten Artenschutzes.
Da der Elbebiber vermutlich schon seit Ende der letzten Eiszeit, also vor 10.000-8.000 Jahren, hier siedelte und somit als Akens Ureinwohner anzusehen ist, gehört er eigentlich ins Akener Siegel, war er doch früher da als alle Magdeburger Robenträger.
Mit diesem ungewöhnlich logischen Vorschlag beende ich die aktuelle Heimatkunde-Stunde und wünsche uns allen noch zahlreiche biberische Begegnungen.
Quellen: Brehms Tierleben, Gutenberg Verlag, Hamburg 1927, Band 5; de.m.wikipedia.org/wiki/Biber; www.rivernet.org/elbe/biber/biber.htm
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Reinhard Liebmann (Dienstag, 16 August 2016 13:41)
Hallöchen euch, der Redaktion,
gelungen ist’s der Beitrag schon,
durch R e d u k t i o n.
Bischofsrobe gegen Biberpelz zu tauschen,
da kann man im Bistum von Bad Tölz noch lauschen.
Nach dem Motto weniger ist mehr,
fällt dem Biber ja nicht schwer –
wenn’s seinen Sitz(Burg) betrifft.
Bei den Haaren,
so konnten wir hier erfahren
betrachtet er es rezipr“u“k
und hat mit 23 Tsd. schon gen"u"g!
Er findet’s sooo gut und gemütlich,
andere brauchten 31 Millionen
und taten sich noch gütlich.
Unverdrossen,
beim "Bi(o)ber-Siegel“
habt ihr’s abgeschossen.
LG R.
Renate Döbbert (Freitag, 19 August 2016 15:24)
Der Artikel über den Biber ist sehr gelungen und vor allem sehr lehrreich. Dazu die kleinen Reime und humorvollen Vergleiche mit uns Menschen und unseren Gewohnheiten, das hat mir sehr gefallen.
Ich wünsche den Biber-Beobachtern weiterhin viele neue Erkenntnisse und viel Vergnügen.
Dovie Hanse (Samstag, 04 Februar 2017 19:02)
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Die Redaktion (Samstag, 04 Februar 2017 19:13)
Als Hilfestellung hier die Übersetzung des oben stehenden Kommentars:
"Hilfreiche Infos. Glücklicherweise entdeckte Eure Website unabsichtlich, und ich bin verblüfft, warum dieses Zusammentreffen nicht schon früher stattgefunden hat! Ich habe sie mit einem Lesezeichen markiert."